Wechseljahre am Arbeitsplatz: Brisante Zahlen vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels

Wechseljahre am Arbeitsplatz: Brisante Zahlen vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels

© Katharina Schiffl

Das Forschungsprojekt MenoSupportAustria (www.blog.hwrberlin.de/menosupportaustria) untersucht das Erleben der Wechseljahre im Arbeitskontext. Frauen durchlaufen in den Wechseljahren eine Phase hormoneller Veränderungen, die etwa 10 – 15 Jahre dauert und typischerweise in der Lebensmitte beginnt. Diese Hormonumstellung kann zahlreiche körperliche und psychische Symptome wie Hitzewallungen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen hervorrufen. Wie beeinflussen die Wechseljahre die Arbeitsfähigkeit, Karriere und den Pensionsantritt? Welche Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung können Frauen in den Wechseljahren am Arbeitsplatz unterstützen?

Das von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) in Kooperation mit dem Onlineportal Wechselweise durchgeführte Forschungsprojekt „MenoSupportAustria“, das am 4.9.2024 in Wien präsentiert wurde, gibt Antwort auf diese Fragen.

 

Warum Unternehmen die Wechseljahre ernst nehmen sollten

Zwischen Jänner und März 2024 wurden 1720 Arbeitnehmerinnen mit Wohnsitz in Österreich befragt, wie sie die Wechseljahre am Arbeitsplatz erleben. Die Online-Befragung wurde von der HWR Berlin zusammen mit dem Wechseljahre-Portal Wechselweise und mit freundlicher Unterstützung der Raiffeisen Capital Management durchgeführt. Die Studie gibt Einblick, wie heimische Unternehmen mit dem noch weitgehend tabuisierten Gesundheitsthema Wechseljahre umgehen und liefert brisante Zahlen.

Die Erhebung zeigt, dass mehr als zwei Drittel der Frauen am Arbeitsplatz durch Wechselbeschwerden beeinträchtigt werden – in der betriebsärztlichen Betreuung spielen die Wechseljahre allerdings nur bei 6,5% der Befragten eine Rolle.

  • Rund 20,8% der Teilnehmerinnen geben an, auf Grund von Wechseljahresbeschwerden die Arbeitszeit zu reduzieren und
  • 14,4% der über 55-Jährigen erwägen, in Frühpension zu gehen oder sind bereits in Frühpension.

Die Folge: Unternehmen verlieren berufserfahrene Mitarbeiterinnen, Frauen Lebensqualität und Versicherungsjahre.

„Viele Frauen erleben die Wechseljahre als Karrierebremse. Die Beschwerden, die in dieser Lebensphase auftreten, belasten nicht nur den Arbeitsalltag, sondern beeinflussen oft auch berufliche Entscheidungen. Betriebliche Gesundheitsprogramme für Frauen in den Wechseljahren können helfen, diese Nachteile abzufedern und die erfahrenen Mitarbeiterinnen länger im Unternehmen zu halten. Angesichts des hohen Fachkräftemangels sollten Unternehmen diesem Thema mehr Aufmerksamkeit schenken.“, betonen die Studienautorinnen Prof. Dr. Andrea Rumler und Julia Memmert.

„Die Wechseljahre sind kein ausschließlich persönliches Thema. Sie haben eine gesamtgesellschaftliche Dimension. Wenn Frauen früher in Pension gehen oder ihre Arbeitszeit verkürzen, weil ihre Bedürfnisse in dieser Lebensphase nicht ernst genommen werden, dann schadet das den Unternehmen, und das Risiko für Altersarmut steigt. Dabei ließe sich mit einfachen Maßnahmen viel erreichen. Wechselbeschwerden sind heute gut behandelbar.“, unterstreicht Wechselweise-Gründerin Dr. Veronika Pelikan.

Wie Betriebe Frauen unterstützen können

Unternehmen müssen die körperlichen und mentalen Herausforderungen der Wechseljahre für viele Frauen stärker berücksichtigen, um weitreichende Folgen für den Arbeitsmarkt zu vermeiden. Die Forscherinnen untersuchten den aktuellen Umfang betrieblicher Angebote zum Thema Wechseljahre in österreichischen Unternehmen und fragten nach hilfreichen Unterstützungsmöglichkeiten aus Sicht der betroffenen Frauen. An erster Stelle der Wünsche steht die Sensibilisierung der Führungskräfte für das Thema Wechseljahre am Arbeitsplatz (72,2%), es folgen flexible Arbeitszeitmodelle (70%) und die Etablierung einer wechseljahresfreundlichen Arbeitskultur (69,1%).

Stichprobe der Befragung

Die Ergebnisse im Überblick

 

  • Online-Befragung von Arbeitnehmerinnen mit Wohnsitz in Österreich
  • 1720 Frauen, davon 52,8% Vollzeit- und 40,2% Teilzeitbeschäftigte
  • Durchschnittsalter: 52 Jahre
  • Erhebungszeitraum: Jänner-März 2024

Wechseljahre und ihre Auswirkungen im Arbeitskontext

Die Wechseljahre stellen eine Zeit großer körperlicher und mentaler Belastung dar. Ein Großteil der befragten Frauen litt an mehreren Wechseljahressymptomen. (Top 5 Nennungen)

  • Körperliche und geistige Erschöpfung (92,3%)
  • Schlafstörungen (91,5%),
  • Reizbarkeit (87,8%),
  • Wallungen und Schwitzen (87,5%)
  • depressiven Verstimmungen (84,6%).

Am Arbeitsplatz wurden die Frauen insbesondere durch folgende Wechseljahresbeschwerden beeinträchtigt (Top 5 Nennungen)

  • Körperliche und geistige Erschöpfung (71,4%)
  • Schlafstörungen (61,9%)
  • Wallungen, Schwitzen (58,5%)
  • Reizbarkeit (50,1%)
  • Depressive Verstimmung (40,6%)
    Die Arbeitsfähigkeit der von Wechseljahressymptomen betroffen Frauen wurde in folgender

Art und Weise beeinflusst

  • 66,4% konnten sich weniger gut konzentrieren
  • 64,1% fühlten sich gestresster
  • 45,5% waren ungeduldiger/gereizter gegenüber anderen
  • 32,2% hatten weniger Selbstbewusstsein bezüglich ihrer Fähigkeiten
  • 29,5% hatten psychische Probleme bei der Ausübung ihrer Tätigkeit
  • 25,2% hatte physische Probleme bei der Ausübung ihrer Tätigkeit

Großer Wunsch nach Unterstützungsangeboten, aber Angst vor Stigmatisierung

 

Mehr als die Hälfte der Befragten (52,8 %) wünscht sich von ihrem Arbeitgeber Unterstützungsangebote zum Thema Wechseljahre. Jede fünfte Befragte befürchtet jedoch, wegen ihrer Wechselbeschwerden benachteiligt zu werden. Auch fühlen sich viele Frauen in den Wechseljahren weniger wertgeschätzt als gleichaltrige männliche Kollegen und/oder jüngere weibliche Kolleginnen.

    • 59,8% der befragten Frauen fühlen sich durch das Umfeld, das ihnen ihr Arbeitgeber bietet, im Prozess der Wechseljahre nicht unterstützt.
    • Nur in 14,8% der Fälle gibt es eine offene Kommunikation zum Thema Wechseljahre im Unternehmen.
    • Nur in 6,5% der Betriebe gibt es betriebsärztliche Betreuung zu den Wechseljahren.
    • Nur 4,1% der Unternehmen der Befragten bieten Informationsangebote zum Thema.

Wechseljahre wirken sich auf Krankmeldungen und Karriereentscheidungen aus

23,1% der Befragten waren auf Grund von Wechseljahresbeschwerden bereits krankgeschrieben. Die Wechseljahre beeinflussten zudem die beruflichen Entscheidungen der Frauen auf folgende Weise:

    • 20,8% reduzierten die Arbeitsstunden auf Grund der Beschwerden.
    • 15,2% nahmen sich auf Grund der Beschwerden eine berufliche Auszeit.
    • 12,5% haben Ihren Arbeitsplatz auf Grund der Wechseljahressymptome gewechselt.
    • 8,3% entschieden sich auf Grund der Wechseljahresbeschwerden, früher in den Ruhestand

zu gehen. Bei den über 55-Jährigen steigt dieser Wert auf 14,4%.

Die folgenden Maßnahmen zur Unterstützung während der Wechseljahre durch die Arbeitgeber wurden von den Frauen als hilfreich empfunden (Mehrfachnennungen möglich)

 

  • Sensibilisierung für das Thema Wechseljahre bei den Führungskräften (72,2%)
  • Flexible Arbeitszeitmodelle (70%)
  • Etablierung einer wechseljahresfreundlichen Arbeitskultur (69,1%)
  • Offene Kommunikation zum Thema Wechseljahre (68,1%)
  • Sensibilisierung für das Thema Wechseljahre bei den Mitarbeitenden (67,5%)
  • Betriebsärztliche Betreuung zum Thema Wechseljahre (64%)
  • Sportangebote speziell für Frauen in den Wechseljahren (64%)
  • Klimatisierte Arbeitsplätze (62,2%)
  • Flexible bzw. bedürfnisorientierte Organisation der Arbeitsaufgaben (62,2%)
  • Kurse zu Entspannungstechniken (62,1%)
  • Informationsangebote zum Thema Wechseljahre (61,8%)
  • Psychologische Betreuung zum Thema Wechseljahre (61,1%)
  • Austauschmöglichkeiten mit anderen Frauen im Unternehmen zum Thema Wechseljahre (60,2%)
  • Ermöglichen von Arbeit aus dem Homeoffice (56,7%)
  • Besserer Zugang zu Sanitäranlagen und Toilettenartikeln (37,7%)
  • Flexible bzw. bedürfnisorientierte Gestaltung der Arbeitskleidung (32,3%).

 

Weitere Informationen zum Forschungsprojekt und den Studienergebnissen finden Sie unter www.blog.hwr-berlin.de/menosupportaustria.